Die Ernährung spielt eine entscheidende Rolle für die Gehirngesundheit. Die Bewegung auch. Aber wie viel Bewegung ist tatsächlich notwendig, um das Gehirn fit zu halten und mit wie viel Bewegung kann das Gehirn vor Alzheimer, Parkinson und Co. geschützt werden?

Eine neue Studie (Gibbons et al. 2023) lässt auch Bewegungsmuffeln keine Ausrede mehr: Es scheinen wenige Minuten zu genügen – bei hochintensiver Bewegung. Aber es geht auch weniger intensiv…

In diesem Artikel erfahren Sie:

  • Was ist BDNF und warum ist es ein „Anti-Aging-Protein“ im Gehirn?
  • Fasten oder Bewegung: Wie lässt sich BDNF am besten steigern?
  • Bewegung fürs Gehirn: Von Naturvölkern über die Philosophen der Antike bis zur modernen Forschung: Ideen für die individuell passende Bewegungsform
  • Bewegungsdauer und -intensitäten je nach Bedarf

1. BDNF: Das Anti-Aging-Protein im Gehirn mit Gedächtnisstärkungseffekt

1.1 Was ist BDNF?

BDNF ist die Abkürzung für „Braind-derived neurotrophic factor“ – frei übersetzt „vom Gehirn stammender Nervenzellen nährender Faktor“. Es ist ein Protein mit Wirkort vor allem im zentralen und peripheren Nervensystem.

Seine Funktionen machen es zu einem „Anti-Aging“- und gedächtnisstärkenden Faktor:

  • BDNF schützt Neuronen und ihre Synapsen (die Stellen, an denen Information von Nervenzelle zu Nervenzelle weitergegeben wird). Daher bleiben bestehende Zellen länger aktiv und fit.
    Damit verbunden ist eine Verlängerung der Lebensdauer eines gesunden Gehirns und eine Verzögerung des Auftretens von neurodegenerativen Erkrankungen, die zu Demenz führen können.
  • BDNF fördert das Wachstum neuer Neuronen und Synapsen und damit die sogenannte Neuroplastizität – Neuverknüpfungen von Nervenzellen.
    BDNF wirkt vor allem im Hippocampus, der Großhirnrinde und im Vorderhirn – in Bereichen für Gedächtnis (auch Langzeitgedächtnis) und abstraktes Denken.
    Damit ist das Lernvermögen verbessert.

Foto: Walsh et al. 2020. Towards an understanding of the physical activity-BDNF-cognition triumvirate: A review of associations and dosage. Aging Research Reviews 60:101044

Ein Mangel (selten auch ein Überschuss) an BDNF steht in Studien im Zusammenhang mit: Konzentrationsstörungen, Verlust von abstraktem Denken, Gedächtnisstörungen, Alzheimer, Demenz, Depression, Schizophrenie, Zwangsstörungen, Angst, Essstörungen (Bulimia nervosa Typ 2, Anorexia nervosa), Chorea Huntington, Rett-Syndrom, Epilepsie, Undine-Syndrom, WAGR-Syndrom, Reizdarmsyndrom.

1.2 Welche Ursachen gibt es für einen BDNF-Mangel?

  1. Eine genetische Variante im BDNF-Gen (rs6265 G>A) kann zu einer verringerten Freisetzung führen.
  2. Dauerstress: Während akuter Stress keine Auswirkung auf den BDNF-Spiegel hat, sinkt BDNF (vor allem im Gedächtniszentrum, dem Hippocampus!), wenn zu lange zu hohe Mengen an Stresshormonen (Cortisol, Adrenalin) ausgeschüttet werden.
    Achtung: In den Wechseljahren kann die Kombination aus Dauerstress und Östrogenabfall den BDNF-Spiegel noch weiter absenken – und damit Gedächtnisstörungen auslösen (Östrogen wirkt auf die Bereitstellung von BDNF im Gehirn, bei Frauen und auch bei Männern).
  3. Bewegungsmangel: Bewegung löst Signale im Gehirn aus, die die Bildung von BDNF steigern. Dabei ist von Bedeutung, dass die Bewegung regelmäßig täglich stattfindet – nicht als Kraftakt einmal in der Woche (Zoldaz 2010).
  4. Ausgeprägter Schlafmangel. Er führt zu einer höheren Stress-Anfälligkeit und kann zum Absinken von BDNF führen (Schmitt et al. 2016).

1.3 Wie kann man den BDNF-Status bestimmen?

  • Das BDNF-Gen kann mittels genetischer Analyse charakterisiert werden.
  • Der jeweils aktuelle BDNF-Spiegel lässt sich über eine Blutanalyse bestimmen.

BDNF spielt inzwischen aufgrund seiner Bedeutung für die Gehirnfunktionen eine wichtige Rolle in der Demenzforschung und in Studien, die Faktoren für ein gesundes Altern des Gehirns untersuchen.

2. Fasten oder Bewegen: Wie lässt sich BDNF am besten steigern?

Pharmakologische Substanzen waren bislang nicht in der Lage, BDNF zu erhöhen bzw. seine Wirkung im Gehirn zu steigern.

Daher lag in der aktuellen Studie von Gibbons et al. 2023 der Fokus darauf, natürliche Wege für eine BDNF-Steigerung zu finden. Sie haben auch den Vorteil, für viele erschwinglich und zugänglich zu sein und damit auf einfache Weise die Gehirngesundheit zu fördern.

Zur natürlichen Steigerung von gehirnaktiven Faktoren kommen erfahrungsgemäß Fasten und verstärkte Bewegung in Frage.
In der aktuellen Studie wurden daher sechs körperliche aktive Männer und sechs körperlich aktive Frauen, jeweils im Alter zwischen 18-56 Jahren, auf die folgenden Studiengruppen aufgeteilt:

  • 20 Stunden Fasten
  • leichte körperliche Betätigung (90-minütiges Radfahren mit geringer Intensität, ca. 25% des Leistungsmaximums)
  • hochintensives Training (sechs mal 40 Sekunden kräftiges Radfahren am Leistungsmaximum, dazwischen 20 Sekunden Radfahren mit geringer Intensität)
  • kombiniertes Fasten und Sport

Foto: Gibbons et al. 2023. Fasting for 20 h does not affect exercise-induced increases in circulating BDNF in humans. J Physiol doi: 10.1113/JP283582. Online ahead of print.

Die Ergebnisse

  • 20-stündiges Fasten erhöht den BDNF-Spiegel nicht.
  • Leichte körperliche Betätigung (mit oder ohne Fasten) führt zu einem leichten Anstieg der BDNF-Konzentration (ca. 6-8%) und Zugleich von Blutplättchen (ca. 6-7%)
  • Kurzzeitiges hochintensives Training (6 Minuten intensives Radfahren: 6x je 40 Sekunden volle Leistungskraft, dann je 20 Sekunden 25% Leistungskraft) steigert die BDNF-Konzentration um das Vier- bis Fünffache (ebenso das BDNF-zu-Blutplättchen-Verhältnis) im Vergleich mit leichter körperlicher Betätigung und ist die effektivste der untersuchten Methoden.

Die genauen Mechanismen sind noch nicht geklärt. Folgende Hypothesen wurden dazu formuliert:

  • Der Zuckerstoffwechsel im Gehirn verändert sich bei hochintensivem Training bezüglich der Haupt-Brennstoffquelle. Bei hochintensivem Training stellt die Umstellung von Glucose (Traubenzucker) auf Laktat (Milchsäure) oder Ketonkörper sicher, dass das Gehirn ausreichend Energie zur Verfügung hat. Bei dieser Umstellung werden möglicherweise auch Stoffwechselwege in Gang gesetzt, die zu einem höheren BDNF-Spiegel führen.
    Wichtig: durch körperliche Bewegung wird BDNF auch in den Muskelzellen produziert. Diese BDNF-Moleküle kommen aber nicht über die Blut-Hirn-Schranke (Pardridge 2002). Es müssen also tatsächlich gehirneigene Stoffwechselprozesse sein, die durch Bewegungsaktivität für mehr BDNF im Gehirn sorgen.
  • Erhöhte körperliche Betätigung kann die Zahl der Blutplättchen erhöhen. Sie können große Mengen an BDNF speichern. Die Konzentration der im Blut zirkulierenden Blutplättchen wurde durch Bewegung um 20% gesteigert – deutlich mehr als durch Fasten.

3. Bewegung fürs Gehirn: von einfach bis hochintensiv

Natürliche Bewegung und Gehirnleistung

Einfache Bewegung hat bereits Effekte: Gehen regt offensichtlich das Denken an. Viele Menschen wissen aus eigener Erfahrung, dass ein Spaziergang oder ein „Gang um den Block“ den Kopf frei macht und oft den „Knoten im Hirn“ löst oder sogar zu neuen kreativen Ideen führt.

Wir haben heute erschwerte Bedingungen für Bewegung. Denn die meisten Arbeitsplätze in der westlichen Welt und der gesamte Lebensstil sind auf das Sitzen ausgelegt. Dass dies nicht gesund ist, wissen die meisten – und es wird in der neuen Redensart „Sitzen ist das neue Rauchen“ reflektiert.

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Naturvölker hatten und haben es einfacher. Der gesamte Tagesablauf ist von Bewegung geprägt. Wobei ein gemütliches Sitzen am Lagerfeuer oder am Nachmittag im heißen Sand der Savanne durchaus typisch ist. Davon konnte ich mich bei meinen Aufenthalten bei Jägern und Sammlern in Tansania und Namibia überzeugen.

Wie sich diese Erkenntnisse zu natürlicher täglicher Bewegung in den westlichen Alltag einbauen lassen und dabei viel Lebensfreude generieren, das war übrigens auch Thema im „Strong Habits“-Podcastinterview bei der Sportwissenschaftlerin Dr. Silke Schäfer. Schauen Sie gerne ins Video hinein!

Besseres Denken mit Bewegung zu verbinden – diese Technik haben auch Philosophen der Antike verwendet. Die Peripatetiker, d.h. die Schule des Aristoteles, erhielten ihren Namen von „Peripatos“, der Wandelhalle, in der sie auf- und abgehend ihre philosophischen Fragestellungen diskutierten.

Auch Nietzsche formulierte einmal: „So wenig wie möglich sitzen; keinem Gedanken Glauben schenken, der nicht im Freien geboren ist und bei freier Bewegung, – in dem nicht auch die Muskeln ein Fest feiern.“ 

Foto: Sabine Paul

Die Bewegungseinheit MET

Als Maß für die körperliche Aktivität wird in den Sportwissenschaften MET (metabolisches Äquivalent)verwendet. Ein MET entspricht dem Sauerstoffumsatz in Ruhe und beträgt bei Männern 3,5 ml Sauerstoff pro Kilogramm Körpergewicht, bei Frauen 3,15 ml.

Bewegungsbedarf für Kopf und Körper in MET

Die WHO empfiehlt als Bewegungsaktivität mindestens 600 MET Minuten pro Woche.
Wie lässt sich dies erreichen?
Zum Beispiel entspricht ein Spaziergang (4 km/Stunde) 3 MET. Es wären also 600:3=200 Minuten Spaziergang pro Woche dafür notwendig (ohne jede andere körperliche Aktivität) – das wären knapp 30 Minuten jeden Tag. Das kann auch aufgeteilt auf mehrere Etappen umgesetzt werden.

Besonderer Bewegungsbedarf: Beispiel Diabetiker – Bewegung gegen das Vergessen

Diabetiker haben ein stark erhöhtes Risiko für Gedächtnisstörungen und Demenz. Dies hat mit der Wirkung des erhöhten Blutzuckers auf die Nervenzellen, speziell im Gedächtniszentrum (Hippocampus) zu tun.

In einer Studie mit Diabetikern zeigte sich, dass sich der Langzeit-Zuckerwert ab 17 MET-Stunden pro Woche (ca. 1.000 MET Minuten/Woche) signifikant verbessert – zudem der Blutdruck und erhöhte Blutfettwerte sinken.
Ab 27 MET-Stunden pro Woche (ca. 1.600 MET Minuten/Woche) gab es auch einen deutlichen Gewichtsverlust und eine weitere Absenkung des Langzeit-Zuckerwerts (HbA1) (Di Loreto 2005).

Wie erreicht man 17 MET Stunden/ Woche (bzw. 1.000 MET Minuten/Woche)?

MET Minuten pro Woche Minuten pro Tag
Spaziergang mit 4 km/h 3 330 47
Gartenarbeit
Gymnastik
Langsames Tanzen
4 250 35
Staubsaugen
Schnelles Tanzen
Radfahren mit 18 km/h
6 167 24
Joggen mit 9 km/h
Schnelles Schwimmen
Judo
Crosstrainer, schnell
10 100 14

Natürlich sind auch Kombinationen verschiedener Bewegungsaktivitäten möglich, zum Beispiel 2x 15 Minuten Spaziergang nach dem Essen und 20 Minuten Gartenarbeit. Suchen Sie auch nach anderen Aktivitäten, die Ihnen Spaß machen: Mini-Trampolin, Seilspringen, Hula-Hoop, häufiges Treppensteigen, Reiten, Nordic-Walking,….

Diabetes, Insulin, Gedächtnisverlust

Die meisten Typ 2-Diabetiker haben eine sogenannte Insulinresistenz. Sie hat zwei wichtige Auswirkungen: Der Blutzucker kann nicht mehr in die Zielorgane transportiert werden, weil die Zellen nicht mehr auf Insulin reagieren. Denn Insulin ist sozusagen der Schlüssel, der die Tür für den Durchtritt von Zucker in die Körperzellen öffnet. Bei einer Insulinresistenz („der Schlüssel passt nicht mehr, die Tür bleibt zu“) steigt der Blutzucker durch Nahrungsaufnahme stark an – gleichzeitig kommt es zu Energiemangel (durch fehlenden Zucker) in den Zielorganen.

Davon kann auch das Gehirn betroffen sein. Daher kann es bei erhöhtem Blutzucker bei Insulinresistenz zu Problemen mit dem Gedächtnis kommen, Nervenzellen können im Gedächtniszentrum absterben und Demenz ist dann oft die Folge.

Aktuelle Erkenntnisse zeigen: Bewegung kann eine Insulinresistenz wieder rückgängig machen. Denn durch Bewegung werden Transportmoleküle wie neue Schleusen in die Zellwände von Muskelzellen eingebaut, so dass der Zucker auch ohne Insulin eintreten kann.

Dadurch sinkt der Blutzucker. Allmählich kommt der Körper wieder in Balance bezüglich Zucker und Insulin – und letztlich werden alle Körperzellen wieder besser mit Energie versorgt.

Gibt es ein Maximum für Bewegungsaktivität?

Eine Metastudie von Kyu et al. aus dem Jahr 2016 zeigte, dass die Verringerung des Risikos für Diabetes, Brust- und Darmkrebs, koronaren Herzkrankheiten und Schlaganfall am besten funktioniert, wenn 3.000-4.000 MET Minuten pro Woche absolviert werden. Darüber hinaus verringert sich das Risiko kaum noch – man muss es also mit der Bewegung nicht komplett übertreiben ;-).

3.2 Umsetzungstipps zur BDNF-Steigerung

Bewegung ist entscheidend für die Gesundheit von Kopf und Körper. Je nach gewünschtem Effekt ergibt sich ein bestimmtes Bewegungsprogramm:

  • Minimum: 600 MET Minuten pro Woche,
    B. täglich ca. 30 Minuten Spaziergänge (gesamt oder aufgeteilt)
  • Für stabilen Blutzucker und Gehirngesundheit: 1.000 MET Minuten pro Woche, z.B.
    • täglich ca. 30 Minuten Spaziergänge (z.B. jeweils 15 Minuten nach dem Mittag- und Abendessen) und 20 Minuten Gartenarbeit oder Tanzen oder Gymnastik oder körperlich fordernde Hausarbeit, oder
    • täglich ca. 30 Minuten Spaziergänge (z.B. jeweils 15 Minuten nach dem Mittag- und Abendessen) und 6 Minuten intensives Radfahren (auch auf dem Hometrainer möglich), oder
    • täglich ca. 30 Minuten Spaziergänge (z.B. jeweils 15 Minuten nach dem Mittag- und Abendessen) und 10 Minuten Joggen
  • Bei erhöhtem Risiko für Krebs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen: 3.000-4.000 MET Minuten pro Woche,B. täglich
    • 10 Minuten Treppensteigen/auf dem Stepper trainieren
      + 15 Minuten Staubsaugen
      + 20 Minuten Gartenarbeit
      + 20 Minuten Joggen
      + 25 Minuten Gehen oder Radfahren

Foto: Sabine Paul

Übrigens: Auch bei Natursubstanzen wie Gewürzen, Heilpilzen und Adaptogenen gibt es inzwischen Erfahrungswerte für die Steigerung von BDNF (mehr dazu bei anderer Gelegenheit). Die Bewegung sollte trotzdem nicht zu kurz kommen 😉.
Suchen und finden Sie die Bewegungseinheiten pro Tag und Woche, die Ihnen Freude machen und guttun. Die Effekte spüren Sie bald.

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