Einige Menschen haben schon nach dem Trinken einer geringer Menge Rotwein Kopfschmerzen. Diese „Rotweinkopfschmerzen“ treten innerhalb von einer halben bis drei Stunden auf – bei Menschen, die eine kleine Menge Alkohol in anderen Getränken gut vertragen. Es handelt sich nicht um den berüchtigten Kater oder eine Histaminunverträglichkeit. Aber was ist die Ursache der „Rotweinkopfschmerzen“? Eine aktuelle Studie (Devi et al. 2023) geht der Sache auf den Grund.

In diesem Artikel erfahren Sie:

  • Wie wird Alkohol im Körper abgebaut – oder der Abbau gehemmt?
  • Was sind „Rotwein-Kopfschmerzen“? Wie werden sie ausgelöst?
  • Welche Rotweinsorten können zu „Rotweinkopfschmerzen“ führen?
  • Auf welche weiteren Gewürze, Obst- und Gemüse-Sorten sollten Sie achten, wenn Sie gleichzeitig Alkohol trinken und Kopfschmerzen vermeiden wollen?

1. Wie wird Alkohol im Körper abgebaut – oder der Abbau gehemmt?

Alkohol gelangt in der Regel über alkoholische Getränke wie Bier, Wein oder Spirituosen in den Körper. Die Blutalkoholkonzentration (BAK) erreicht ca. 45-75 Minuten nach der Alkoholaufnahme den höchsten Wert. Sie wird in Promille gemessen.

Schon gewusst? – Frauen sind bei der Aufnahme einer gleichen Alkoholmenge schneller betrunken als Männer. Dies liegt am geringeren Flüssigkeitsgehalt im Körper der Frauen (ca. 60% im Vergleich mit ca. 70% bei Männern). Dadurch verteilt sich der Alkohol auf weniger Flüssigkeit und ist daher konzentrierter. Damit ist die Blutalkoholkonzentration bei gleicher getrunkener Menge bei Frauen höher als bei Männern.
Hinzu kommt, dass Frauen meist ein geringeres Körpergewicht haben und sich die gleiche Menge Alkohol auf absolut eine noch geringere Flüssigkeitsmenge verteilt. 

Üblicherweise werden ca. 0,1-0,2 Promille Alkohol pro Stunde in der Leber abgebaut. Bezogen auf das Bier-Beispiel ist der Alkohol des Biers beim 70 kg-Mann nach ca. 1-2 Stunden abgebaut, bei der 70 kg Frau nach ca. 1,5-3 Stunden und bei der 60 kg Frau nach ca. 2-3,5 Stunden.

Der Alkoholabbau erfolgt in der Leber in zwei Schritten:

  1. Umwandlung von Alkohol (Ethanol) in Acetaldehyd durch das Enzym Alkohol-Dehydrogenase (ADH).
    Dieser Schritt ist wichtig, um den nicht gut wasserlöslichen Alkohol in eine wasserlösliche Form umzuwandeln, die die Leber weiterverarbeiten kann. Acetaldehyd ist allerdings ein Reizstoff (siehe unten), der deshalb so schnell wie möglich weiter abgebaut werden muss.
  2. Umwandlung von Acetaldehyd in Acetat (Essigsäure) durch das Enzym Aldehyd-Dehydrogenase (ALDH). Acetat (Essigsäure) ist harmlos für den Körper und wird in weiteren Stoffwechselprozessen genutzt (entweder zur Energiegewinnung – dabei entstehen Kohlendioxid und Wasser – oder zum Aufbau von Fettsäuren).

Foto: Sabine Paul

Wird sehr viel Alkohol getrunken oder der Abbau von Acetaldehyd verringert, kann sich der Reizstoff Acetaldehyd anreichern. Dies hat meist Gesichtsrötungen, Übelkeit, Herzrhythmusstörungen, Schwitzen und Kopfschmerzen zur Folge.

Die Alkoholunverträglichkeit vieler Ostasiaten liegt daran, dass das Enzym für den Abbau von Acetaldehyd eine langsame Variante ist oder vollständig gehemmt wird und es so zu einer Anreicherung des Reizstoffs Acetaldehyd kommt.

Die Anreicherung von Acetaldehyd wird medizinisch aktiv genutzt, um Alkoholabhängige vom Alkoholkonsum abzuhalten. Ihnen wird das Medikament Disulfiram verschrieben, welches den Abbau von Acetaldehyd blockiert und somit zu Kopfschmerzen und Übelkeit führt.

Alkoholaufnahme und Promille

Abschätzung der Blutalkoholkonzentration (BAK)
Berechnet wird die Blutalkoholkonzentration mit der Widmark-Formel:

BAK (Promille) = Alkoholmenge in Gramm : (Körpergewicht in kg x Anteil Körperflüssigkeit)

Als Körperflüssigkeit wird bei Männern 70% =0,7 und bei Frauen 60% = 0,6 eingesetzt.

Beispiel 1: Bier

Bier enthält ca. 4% Alkohol, d.h. 4 g Alkohol pro 100 ml. Eine 0,3 Liter-Portion Bier enthält damit 12 g Alkohol.

  • 70 kg Mann: BAK = 12 g Alkohol : (70 kg Körpergewicht x 0,7 Körperflüssigkeit) = 12 : (70 x 0,7) = 0,25 Promille
  • 70 kg Frau: BAK = 12 g Alkohol : (70 kg Körpergewicht x 0,6 Körperflüssigkeit) = 12 : (70 x 0,6) = 0,29 Promille
  • 60 kg Frau: BAK = 12 g Alkohol : (60 kg Körpergewicht x 0,6 Körperflüssigkeit) = 12 : (60 x 0,6) = 0,33 Promille!

Der tatsächliche Promille-Gehalt hängt allerdings auch von der Trinkgeschwindigkeit, ob zeitgleich etwas gegessen oder Wasser getrunken wird ab.

2. Was sind Rotwein-Kopfschmerzen?

Rotwein-Kopfschmerzen zählen zu den primären Kopfschmerzen und treten innerhalb von einer halben bis 3 Stunden nach Aufnahme geringer Mengen einiger Rotweinsorten auf.

Sie sind nicht auf eine zu hohe Alkoholmenge oder auf eine Histamin-Unverträglichkeit zurückzuführen. Lange wurde gerätselt, was die Ursache sein kann.

Eine aktuelle Studie (Devi et al. 2023) gibt nun Einblick in den möglichen Mechanismus: der Pflanzeninhaltsstoff Quercetin, besonders reichhaltig in Rotweintrauben enthalten, kann den Abbau von Acetaldehyd blockieren.

2.1 Quercetin und Alkohol: Eine ungute Mischung

In fast allen Gemüse- und Obstsorten ist Quercetin als sekundärer Inhaltsstoff enthalten. Dieses Flavanol gilt als gesundheitsförderliches Antioxidans mit entzündungshemmender Wirkung, das Stress- und Alterungsprozesse im Körper ausbremst und Entzündungsreaktionen lindert. Zudem wird angenommen, dass Quercetin bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Diabetes, neurologischen Erkrankungen, Fettleibigkeit, allergischem Asthma und Hauterkrankungen von Nutzen ist.

Gelangt Quercetin durch die Ernährung oder Getränke in den Blutkreislauf, wird es in eine andere Form umgewandelt: Quercetin-3-Glucuronid.
Diese Quercetin-Form stört den Abbauprozess von Alkohol durch starke Hemmung der zweiten Abbau-Reaktion, das heißt die Funktion der Aldehyddehydrogenase ALDH2 wird ausgebremst.

In Rotwein liegt meist ein hoher Quercetin-Gehalt vor – und das in Kombination mit Alkohol. Diese Kombination kann bei einigen Menschen „Rotwein-Kopfschmerzen“ auslösen.

Basierend auf der Studie von Devi et al. hemmen ca. 150 ml Rotwein (etwas mehr als ein „Achtele“) mit 5 μM Quercetin-3-glucuronid die ALDH2 um fast 37 %. Die Hemmung des Enzyms reichert Acetaldehyd aus dem Alkoholstoffwechsel von Wein an.

Nur die Kombination von Quercetin mit Alkohol führt zu Kopfschmerz, nicht ein hoher Quercetin-Gehalt allein, wie er in anderen Lebensmitteln (z. B. Zwiebeln) zu finden ist.

Kopfschmerzen: Schon gewusst?

16% der Bevölkerung sind täglich von Kopfschmerzen betroffen.

Die Hauptformen sind Spannungs-Kopfschmerz, Cluster-Kopfschmerz und Migräne.

Alkoholische Getränke (Bier, Wein, Spirituosen) sind die häufigsten ernährungsbedingten Auslöser von Kopfschmerzen und lösen bei 37 % der Patienten zumindest gelegentlich Kopfschmerzen aus.

Laut der International Headache Society (IHS) können alkoholische Getränke zwei Arten von alkoholbedingten Kopfschmerzen auslösen:
a) unmittelbare oder primäre Kopfschmerzen – innerhalb von 3 Stunden nach Alkoholkonsum (z.B. „Rotweinkopfschmerz“)
b) verzögerte alkoholbedingte Kopfschmerzen = Katerkopfschmerzen.
Beide Formen klingen innerhalb von 72 Stunden nach Alkoholaufnahme ab.

2.2 Quercetingehalt in Rotwein

Quercetin kommt in allen Weintrauben vor. Insbesondere in Rotweintrauben ist der Gehalt jedoch sehr hoch – bis zu zehnmal mehr als in Weißwein. Der genaue Quercetinghalt in Rotwein schwankt stark.

Besonders viel Quercetin wird gebildet,

  • wenn die Trauben viel Sonnenlicht ausgesetzt sind, z.B. in Cabernet Sauvignon aus dem Napa Valley in Kalifornien (bis zu fünfmal höhere Quercetin-Werte), oder
  • wenn bei der Weinherstellung viel Kontakt mit der Weintraubenhaut entsteht, z.B. während der Gärung, bei Schönungsprozessen und der Weinreifung.

Eine umfangreiche Analyse zum Quercetin-Gehalt in Rotweinsorten zeigt (MacDonald 1998): es gibt leider keine allgemeingültigen Regeln, welche Rotweine viel und welche wenig Quercetin enthalten. Einige Hinweise lassen sich aus den Messwerten jedoch ableiten:

  • sonnenreiche Standorte liefern eher quercetinreiche Rotweine: Chianti classico aus Italien, Cabernet Sauvignon aus Kalifornien und Chile, Merlot aus Frankreich und Chile
  • Länder mit verhältnismäßig weniger Sonneneinstrahlung haben eher quercetinarme Rotweine:Bulgarien, Frankreich (Ausnahme: Merlot), italienischer Barolo oder Valpolicella
  • Einige Rotweinsorten sind in verschiedenen Ländern eher quercetinarm: Pinot noir (Spätburgunder), Tempranillo

Die genauen Mechanismen, warum einige Menschen mit dem daraus gebildeten Quercetin-3-Glucuronid gut zurechtkommen und andere nicht, sind noch nicht geklärt. Vermutet wird, dass für Rotwein-Kopfschmerzen anfällige Menschen

  • ohnehin eine Neigung zu Migräne oder anderen primären Kopfschmerzerkrankungen haben, und/oder
  • Acetaldehyd-abbauende Enzyme besitzen, die leichter durch Quercetin-3-Glucuronid gehemmt werden und/oder
  • mehr Acetaldehyd beim Alkoholabbau bilden.

In nächster Zeit sollen diese Mechanismen genauer untersucht werden – im Vergleich von Rotweinen, die viel und wenig Quercetin enthalten.

Foto: Pexels

3. Stolperfalle quercetinhaltige Nahrungsmittel?

Quercetin kommt zwar insbesondere in Rotweintrauben vor – aber auch in vielen Gewürzen, Gemüse- und Obstsorten.

Wer mit Kopfschmerzen nach dem Essen kämpft (nach 30 Minuten bis zu 3 Stunden), sobald eine kleine Menge Alkohol, zum Beispiel in Form eines kleinen Biers, dabei war, hatte möglicherweise parallel quercetinhaltige Nahrungsmittel auf dem Teller.

Sie führen, wenn man die oben erforschte Blockade des Alkoholabbaus und der Anreicherung von Acetaldehyd zugrunde legt, möglicherweise zu diesen Kopfschmerzen, die auf der Kombination von hohen Quercetinmengen mit Alkohol entstehen.

Wenn Sie davon betroffen sind, achten Sie auf folgende Zutaten, sobald Alkohol ihr Essen begleitetoder lassen Sie den Alkohol weg, dann sind diese Nahrungsmittel problemlos verträglich:

Quercetin-Gehalt in mg/100 g Nahrungsmittel (nach USDA 2011)

Gewürze:

  • Kapern (eingelegt: 173, roh: 233)
  • Liebstöckel, frisch (170)
  • Dill, frisch (55)
  • Korianderblätter, frisch (53)
  • Gemüsefenchel (49)
  • Oregano, getrocknet! (42)
  • Brunnenkresse, frisch (30)
  • Estragon, frisch! (10)

Gemüse

  • Zwiebeln, rot (32)
  • Grünkohl, roh (23)
  • Zwiebeln, weiß (21-24)
  • Spargel (15)

Salat, Wildkräuter, Superfoods

  • Ampfer (86)
  • Wilde Rauke (Wild-Rucola) (66)
  • Radicchio (32)
  • Moringablätter, frisch! (17)

Früchte

  • Holunderbeeren, frisch (27)
  • Aroniabeeren, frisch (19)
  • Gojibeeren, getrocknet! (14)
  • Cranberry, frisch (15)
  • Preiselbeeren, frisch (13)

Besonderes

  • Carobpulver (39)
  • Bienenpollen (21)
  • Chiasamen, getrocknet (18)

Ich wünsche Ihnen nun besten Genuss – mit oder ohne Rotwein, je nach Ihrer persönlichen Vorliebe und Verträglichkeit.

Foto: 31962942, www.fotolia.com

Weiterführende Empfehlungen

E-Book: Natürliche Helfer bei Kopfschmerzen und Migräne (hier klicken)

Foto: Pixabay

Dieses E-Book enthält:

  • wichtige Hintergrundinformationen zu den häufigsten Kopfschmerzarten, inklusive Migräne, Spannungskopfschmerz, Kopfschmerzen durch Hormonschwankungen, Stress, bei Magen-Darm-Problemen, „Kater“-Kopfschmerz und „Rotwein-Kopfschmerz“
  • Erprobte naürliche Helfer aus den Bereichen Bewegung, Entspannung, ErnährungMigräne
  • Tipps zur Selbstbehandlung, mit Schwerpunkt auf Kräutern, Gewürzen und ätherischen Ölen
  • Kick-Start-Plan, viele Rezepte und Rezepturen
Artikel lesen: Alkohol und das zweite Gehirn (hier klicken)

Foto: 21272479, www.123rf.com

In diesem Artikel erfahren Sie:

  • Welche alkoholischen Getränke die Vielfalt der Darmflora fördern können
  • Welche nicht-alkoholischen Alternativen in Frage kommen, um ähnliche Effekte zu erzielen
Artikel lesen: Hopfen gegen Alzheimer (hier klicken)

Foto: Pixabay

In diesem Artikel erfahren Sie:

  • Welche gehirnschützenden Substanzen in Hopfen gefunden wurden und welche Wirkung sie haben
  • Was von der Plaque-Theorie im Zusammenhang mit Alzheimer zu halten ist
  • Welcher Hopfen besonders förderlich ist – und wann sie welchen Hopfen nicht verwenden sollten
Zur NervenPower-Post (Newsletter): Hier klicken!

Bleiben Sie am Ball bezüglich optimaler Gehirnfunktionen und natürlichem Stress-Schutz.

Die NervenPower-Post (Newsletter) verrät Ihnen viele Tricks, Tipps und Genüsse, stellt alle Sinne auf Empfang und kitzelt gelegentlich die Nervenfunktionen mit kleinen Brainteasern.

Zur NervenPower-Post (Newsletter): Hier klicken!