Manchmal liegt das Gute so nah – und muss nur (wieder-)entdeckt werden. Vor allem wenn Sie spritzigen Genuss ohne Alkohol und Histamin mögen, regionale und magenschonende Zutaten für das Säuern Ihrer Nahrung bevorzugen und Freude an harmonischen Aromen haben, ist es Zeit Agrest, auch „Verjus“ genannt, zu probieren. Eine besondere Eigenschaft macht ihn zudem nützlich für eine bessere Konzentrationsfähigkeit und Gedächtnisleistung.

In diesem Artikel erfahren Sie:

  • Was Agrest bzw. Verjus ist
  • Was das Besondere an dieser säuernden Zutat ist und wie sie auf Kopf und Körper wirkt
  • In einem historischen Rückblick, wie Agrest verwendet wurde
  • Rezeptideen für Speisen und Getränke mit dem besonderen Agrest-Pfiff

 

1. Die Wiederentdeckung einer heimischen, aromatischen Säure


Säuern macht Speisen haltbar und aromatischer. In der modernen Küche ist die Zitrone der Standard, wenn es ums Säuern geht. Sie ist ursprünglich eine aus Indien stammende Frucht, die bis ins 13. Jahrhundert in Europa fremd war und erst seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Deutschland verwendet wird.

Aber wie kann man säuern, wenn man eine Histaminunverträglichkeit oder Allergie gegen Zitrone hat – oder einheimische Zutaten verwenden möchte?

Für manche Zwecke eignen sich Essig oder Zitronenmelisse, Quitte oder Berberitze, die alle aus heimischen Regionen stammen. Eine nahezu universell einsetzbare, angenehm fruchtige Säure ist jedoch die sehr alte Spezialität Agrest bzw. Verjus, ein historisches Würzmittel aus unreifen Weintrauben.

Verjus war lange in Vergessenheit geraten und wurde in den 1990er Jahren von Feinschmecker-Köchen in Frankreich, der Schweiz und Deutschland wiederentdeckt. Inzwischen erobert er auch trendige Cocktailbars und heimische Küchen.

Foto: 69124775, www.fotolia.com

2. Was sind Agrest und Verjus?

Namensvielfalt für eine einfache Zutat

Es handelt sich bei Agrest bzw. Verjus um das Gleiche – es sind nur zwei verschiedene Namen für den Saft unreifer („grüner“) Trauben. Der säuerlich-aromatische Saft hat eine hellgelbe Farbe. Daraus leitet sich auch die Vielzahl der Namen ab:

  • Verjus (gesprochen: wär-schü) = Grünsaft (franz. vert = grün, jus = Saft), auch: Verjuice
  • alte deutsche Namen: Agrest, Agraz, Agaratz, Agresta, Averjusa (von lat. agrestis = wild wachsend)

Die Besonderheit: Es ist eine vor Ort wachsende Zutat, die nicht von Südeuropa hertransportiert werden muss, säuert mild und stellt Zitrone und Essig aromatisch oft in den Schatten. Im Gegensatz zu normalem Traubensaft ist Agrest kohlenhydratarm, kalorienarm und alkoholfrei (Schon gewusst? – „reifer“, d.h. normaler Traubensaft kann bis 1% Alkohol enthalten).

Agrest wird sowohl als Würzmittel in der Küche verwendet als auch als „Gesundheitselexir“.

Eigenschaften in der Küche

Verjus ist:

  • säuernd, aber milder als Essig und fruchtiger als Zitrone, balsamisch-würzig;
    der Geschmack ist vielfältig, je nach verwendeter Rebsorte und Pressung der einzelnen Winzer. Verjus überdeckt den Eigengeschmack von Speisen nicht,
  • geschmackintensivierend, ohne die Kalorien anderer Geschmacksbetoner wie Fett, Zucker oder Alkohol. Für diesen Effekt wird meist die enthaltende Metaweinsäure als verantwortlich angesehen,
  • wirkt aufgrund der enthaltenen Kaftarsäure der natürlichen Bräunung von Nahrungsmitteln entgegen (Honisch 2020), z.B. frisch geschnittene Apfelscheiben, für die sonst Zitronensaft verwendet wird.

Foto: Pixabay

Positive Wirkung auf Gehirn und Gesundheit

Verbesserte Gehirnleistung

  • Die in Agrest enthaltene Kaftarsäure (Craftaric acid), ein Hydroxzimtsäureester, wirkt als Inhibitor der Tyrosinase, d.h. die Aminosäure Tyrosin wird langsamer abgebaut. Damit steht mehr Tyrosin für die Bildung von Dopamin zur Verfügung, welches für die Konzentrationsfähigkeit und Gedächtnisleistungbenötigt wird (Honisch 2020). Dopamin ist zugleich wichtig als Ausgangssubstanz für Noradrenalin und Adrenalin, die Ihnen unter Stress Leistungskraft

Foto: aus Honisch et al. 2020

  • Agrest ist reich an Polyphenolen (Gallussäure (gallic acid), Kaffeesäure (caffeic acid), Katechin (catechin), Quercetin-Glucosid, je früher geerntet, desto mehr (Nikfardjam 2008; Honisch 2020). Daraus ergibt sich eine antioxidative Wirkung, die sowohl Gehirn- als auch den übrigen Körperzellen einen Schutzschild gegen Stress- und Alterungsprozesse verleiht.
  • Kohlenhydratarm: je früher geerntet, desto weniger Kohlenhydrate sind enthalten.
    Damit bleibt der Blutzuckerspiegel konstant. Das schützt sowohl vor Entzündungen im Gedächtniszentrum des Gehirns (Hippocampus) als auch vor Stimmungsschwankungen und Konzentrationslöchern durch Unterzucker nach Blutzuckerspitzen („Blutzucker-Jojo“).

Gut fürs Herz

Die antioxidative Wirkung der Polyphenole wirkt sich auch günstig auf Blutfette und Blutdruck aus:

  • Sowohl bei Gesunden als auch bei Menschen mit Bluthochdruck und erhöhten Blutfettwerten führt die Aufnahme von Agrest zu einem messbaren Anstieg der antioxidativer Kapaziät im Blut als auch eines verbesserten Verhältnisses von günstigem HDL- zu LDL-Cholesterin (Alipour 2012; ZibaeeNezhad 2012).
  • Agrest ist blutfettsenkend bei Menschen mit erhöhten Blutfettwerten (Triglyceride, LDL-Cholesterin, Gesamtcholesterin) (Alipour 2012)
  • Agrest ist blutdrucksenkend bei Menschen mit Bluthochdruck (Alipour 2012; Zolfaghari 2015).
  • Im Tiermodell wirkt Verjus schützend vor Arteriosklerose, vermutlich aufgrund der antioxidativen Eigenschaften (Setorki 2010)

Nützlich für den Stoffwechsel

  • die Säure führt zu einer basischen Reaktion im Körper und unterstützt ein ausgeglichenes Säure-Base-Verhältnis beim Verzehr von Fleisch und süßen Speisen
  • alkoholfrei
  • kalorienarm
  • histaminfrei

3. Ein aufschlussreicher Blick zurück: Historie und traditionelle Anwendung von Agrest bzw. Verjus

Im alten Ägypten wurde Verjus zusammen mit dem Saft unreifer Oliven für eine medizinische Salbenbasis verwendet.

Im Altertum war Verjus unter dem lateinischen Namen omphacium (Herlingstraube) bekannt. Hippokrates studierte seine gesundheitsförderlichen Eigenschaften. Der römische Militärarzt Pedacius Dioskurides lobte seine adstringierende (zusammenziehende) Wirkung. Er wurde bei Fieber, Entzündungen im Mund-, Hals- und Rachenraum eingesetzt, bei Augen- und Ohrenbeschwerden, roter Ruhr, Magenbeschwerden, Frauenleiden und zur Wundbehandlung. Schönheitsrezepte sind ebenso überliefert wie die Zuschreibung aphrodisischer Wirkung.

Foto: 56389488, www.fotolia.com

Im Nahen Osten hielt sich die Verwendung bis heute – sowohl als Würze als auch als Hausmittel gegen Bluthochdruck oder zur Regulation der Blutfettwerte. Mit den Kreuzzügen kam das Wissen nach Europa. Zunächst bei Hof als besonderes, natürliches Würzmittel verwendet, setzte sich die Verwendung zum Ende des Mittelalters in allen Küchen durch. Über die Renaissance bis weit ins 18. Jahrhundert war der Extrakt aus den „grünen“ Weinbeeren weit verbreitet und ein Standard in Kochbüchern.

Mit der Verbreitung der Zitrone wurde Verjus aus den europäischen Küchen verdrängt. Zu dieser Zeit verdarb der Grünsaft noch schnell. Als das Pasteurisieren als schonende Haltbarmachung entdeckt wurde, war Verjus schon aus den europäischen Küchen verschwunden und durch die Zitrone ersetzt. Inzwischen erlebt Verjus eine Renaissance in Europas Küchen – von Feinschmecker-Restaurants bis Privathaushalten.

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4. Verjus-Rezeptideen

Verjus/Agrest ist eine magenschonende, aromatische Alternative für Essig, Wein oder Zitrone.
Er lässt sich mit vielen Speisen und Getränken kombinieren.

Er sollte, sobald die Flasche geöffnet ist, im Kühlschrank aufbewahrt werden, da keine Konservierungsmittel enthalten sind.
Bei Verwendung geringer Mengen empfiehlt es sich, kleine Flaschen zu kaufen (Empfehlungen für gute Bezugsquellen finden Sie unter „Agrest“ hier).

Tipp für den Kauf: Tendenziell eher saure, d.h. früh geerntete Sorten kaufen (erkennbar an einem Kohlenhydratanteil unter 10 g/100 ml – am besten 0-5 g/100 ml), wenn besonders gute Gesundheitseffekte aufgrund hoher Polyphenol- und geringer Kohlenhydratwerte erreicht werden sollen.

Speisen

  • in Salatdressings anstelle von Essig oder Zitrone (Öl und Verjus im Verhältnis 1:1 oder 2:1): für Blattsalate oder an Krabbensalat
  • Verfeinern von Gemüse mit zartem Aroma wie Spargel, Zucchini, Pilze (in die Sauce frischer Pilze geben oder Trockenpilze damit einweichen anstelle von Wasser)
  • Marinade für Fleisch und Fisch
  • Gebratenen oder gegrillten Fisch kurz vor Garzeitende damit beträufeln
  • Für Suppen und Eintöpfe
  • In Kombination mit Hülsenfrüchten: z.B. in Linsensuppe, zu Hummus
  • Ablöschen nach dem Anbraten (für dunkle Saucen: immer wieder ablöschen und reduzieren, für helle Saucen: erst am Ende der Garzeit zugeben)
  • Avocado-Dips mit Verjus (statt Zitrone)
  • Anstelle von Zitrone in Kuchen und Desserts (Wasser im Rezept durch Verjus ersetzen)
  • Ausprobieren: Verjus-Gurken statt Essig-Gurken, d.h. Gurken in Verjus einlegen

Getränke

  • Erfrischungsgetränk: je 100 ml Mineralwasser 10 ml Verjus mischen – nach Belieben auch mehr Verjus verwenden oder mit Apfeldicksaft oder Akazienhonig süßen
  • Zugabe zu Säften oder Limonaden
  • Heißer Verjus: bei Halsschmerzen anstelle von Heißer Zitrone (50 ml Verjus auf
    250 ml kochendes Wasser, dazu Honig nach Belieben, ca. 1-2 TL)
  • Für spritzige Cocktails: anstelle von Zitrone
  • Als Aperitif oder alkoholfreie Sektalternative (siehe Rezept „Verjus-Champagner“)

Foto: 28544724, www.123rf.com

Verjus-„Champagner“

Eine alkoholfreier, spritziger und feinperliger „Sekt“ zum Anstoßen bei besonderen Gelegenheiten.


Zutaten
(für 3-4 Portionen)

  • 150 ml Heller Traubensaft
  • 150 ml Mineralwasser
  • 60 ml Verjus

Zubereitung

  • Alle Zutaten im Kühlschrank kühlen
  • Hellen Traubensaft und Verjus abwiegen und mischen
  • Mit Mineralwasser auffüllen
  • Bei Bedarf mit noch etwas Traubensaft oder Verjus spritziger oder süßer abschmecken
  • In eine Flasche abfüllen und im Kühlschrank bis zum Gebrauch kaltstellen
  • In Sektgläser füllen und servieren

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